Donnerstag, 23. Dezember 2010

Interpretation Teil 3, Kapitel 2 (verbesserte Klassenarbeit)

In dem Buch "Der Vorleser" von Bernhard Schlink aus dem Jahr 1995 geht es um das Leben und die kurze Beziehung in der Jugend des Ich-Erzählers Michael Berg zu der 21 Jahre älteren Hanna Schmitz. Obwohl der Protagonist versucht, Hanna nach ihrem Weggang zu vergessen, beeinflussen sie und die Beziehung ihn sein ganzes weiteres Leben. So stellt sich die Frage, ob es an Michaels Charakter liegt, oder ob Hanna während der Beziehung ihn so sehr geprägt hat, dass er sie nicht vergessen kann.


Im ersten Teil ist der Ich-Erzähler Michael Berg fünfzehn Jahre alt. Er beginnt eine Beziehung zu einer 36jährigen Frau, Hanna Schmitz, die er durch Zufall kennen gelernt hat. Sie bringt ihn dazu, für die Schule zu lernen. Hanna dominiert über Michael, er ist ist schon fast abhängig von ihr. Das zeigt sich, wenn sie sich streiten; er gibt immer nach, auch wenn ihn keine Schuld trifft, weil Hanna sonst ihre Zuneigung verweigert.  Bei dem Paar entwickelt sich das Ritual, dass Michael Hanna etwas vorliest, sie sich danach duschen und anschließend mit einander schlafen. Michael erzählt seinen Freunden nichts von seiner Beziehung und meint deshalb, Hanna zu verraten. Nach weniger als einem halben Jahr ist Hanna plötzlich, ohne Ankündigung, umgezogen.
Michael trifft das sehr, da er sich selbst die Schuld dafür gibt, aber er versucht sie zu vergessen.
Im zweiten Teil macht er ein gutes Abitur und beginnt ein Jura-Studium. Dabei nimmt er an einem Seminar über einen KZ-Prozess teil. Im Gerichtssaal sieht Michael Hanna als eine der Angeklagten wieder.
So erfährt er, dass sie in einem KZ Wärterin gewesen war, an Selektionen mitgewirkt hatte und beim sogenannten Todesmarsch dabei war. Wegen der Selektionen und unterlassener Hilfeleistung, derentwegen die Gefangenen in einer Kirche verbrannten, werden sie und vier andere Frauen angeklagt.
Es kommt durch eine Überlebende heraus, dass Hanna in den Konzentrationslager junge Mädchen bevorzugte, diese mussten ihr abends vorlesen, kamen aber trotzdem in den nächsten Transport nach Auschwitz, wo sie getötet wurden. Michael spürt wegen alldem eine Art Betäubung, die ihn sehr beschäftigt. Er geht nach den Verhandlungen immer spazieren, bei einem dieser Spaziergänge findet er heraus, dass Hanna Analphabetin war und ist. Er schafft es jedoch nicht, es, als mildernden Umstand, dem Richter zu sagen.
So passiert es, dass Hanna sich bei Gericht um Kopf und Kragen redet, weil sie weder die Anklage noch das belastende Manuskript der Überlebenden gelesen hatte. Sie wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach dem Prozess verbringt Michael viel Zeit in der Bibliothek der Universität und schottet sich bewusst von anderen ab. Trotzdem wird er zu einem Skiurlaub eingeladen.


In dem Kapitel, Seite 164-166, geht es darum, dass Michael eine Familie gründet, die sich nach einiger Zeit wider auflöst, und die Gründe dafür.
Michael heiratet Gertrud, die er auf der Skihütte kennen gelernt hatte. Sie bekommen eine Tochter, Julia. Michael erzählt seiner Frau nichts von Hanna, vergleicht aber immer beide und findet, dass das Zusammensein mit Gertrud nicht stimmt. nach fünf Jahren lassen sie sich scheiden, bleiben aber in Loyalität verbunden. Für ihre Tochter ist dies unverständlich und sie leidet sehr unter der Trennung ihrer Eltern. Obwohl Michael spätere Freundinnen so wählt, dass sie mehr wie Hanna sind, ihnen ebenfalls von dieser erzählt, verstehen sie ihn jedoch auch nicht wirklich.

Man kann das Kapitel inhaltlich in vier Abschnitte teilen, die auch durch Absätze gekennzeichnet sind.
Zuerst (bis Z.8) erzählt Michael, wie er und Gertrud sich kennen lernten. Im zweiten Abschnitt
(S.164 Z.9-21, S 165 bis Z.6) geht es um das Zusammensein mit Gertrud, im dritten (S.165 Z. 7-27) um die Scheidung und ihre Folgen. Der vierte Abschnitt (S.165 Z. 28+ S.166) beschäftigt sich mit Michaels Freundinnen nach seiner Ehe.
In dem Kapitel ist das Geschehen so erzählt, dass die Handlungen zeitlich logisch aufeinander folgen.
Außerdem sind keine inneren Monologe des älteren Michael zu finden, im Gegensatz zum Rest des Buches, wo die Handlung durch diese oft unterbrochen wird.
Es wird auch wenig von der Ehe an sich erzählt, alles deutet daraufhin, dass sie recht ereignislos war.
Der sachliche Stil wird beibehalten (Beispiel: "Ich habe als Referendar geheiratet." S.164 Z.1) und weiterhin in der Vergangenheit und der personalen ich-Perspektive erzählt.

Michael ist zu diesem Zeitpunkt etwa 22 Jahre alt und Referendar. Er hat sich nach Hannas Weggang ein "großspuriges, überlegenes Gehabe" (S.84 Z.19f) angewöhnt, womöglich um seinen Schmerz wegen Hanna zu überdecken.
Ob er Gertrud liebt, lässt sich schwer sagen, aber beide sind sich sehr verbunden, was die Wiederholung
von dem Wort zusammen verdeutlicht: "..., wir studierten zusammen, bestanden zusammen das Examen und wurden zusammen Referendare." (S.164 Z.5-7).
Zu seiner Tochter hat Michael vielleicht die einzig echte Bindung, da er Julia nicht mit Hanna vergleichen kann, weil es sich hierbei um Vater-Tochter-Liebe handelt. Diese besteht auf jeden Fall, weil Julias trauriger Blick ihm das Herz bricht, wenn er nach einem Besuch wieder weggeht (vgl. S.165 Z.21f).
Michael hat nach seiner Ehe einige Beziehungen, was andeuten könnte, dass diese, obwohl er von Hanna erzählt, nicht sehr lange halten. Das spricht für eine Bindungsunfähigkeit, verursacht durch das Trauma namens Hanna.

Gertrud ist wahrscheinlich in Michaels Alter. Sie wird von Michael als "gescheit, tüchtig und loyal" (S.164 Z11f) beschrieben und studiert ebenfalls Jura. Sie entschließt sich nach dem Referendariat schnell, Richterin zu werden; im Gegensatz zu ihrem Mann, der weder anklagen, noch verteidigen, noch richten will und deshalb Rechtshistoriker wird (s. S.171, 172).
Gertrud liebt bzw. liebte Michael, was man daraus schließen kann, dass sie auf Michael während seines Krankenhausaufenthalts beim Skiurlaub gewartet hatte (S.164 Z.3).
Dass Gertrud ohne "Bitterkeit" (S.165 Z.8) gehen konnte, obwohl sie vielleicht gemerkt hat, dass Michael ihre Partnerschaft als nicht gelungen ansieht, beweist Charakterstärke.      

Julia ist die Tochter der beiden und zum Zeitpunkt ihrer Scheidung etwa fünf Jahre alt. Sie ist wie andere Kinder in dem Alter auch, sie wünscht sich Geschwister ("Sie wünschte sich ein Brüderchen und hätte sich wohl auch über mehr Geschwister gefreut." S.165 Z.16f) und fühlte sich bei ihren Eltern geborgen und braucht deren Zuneigung. Aber eben diese Geborgenheit bekommt sie nicht genügend, wenn ihre Eltern getrennt sind, wobei sie nicht begreift, was Scheidung bedeutet (vgl. Abschnitt 2 S.165). Das quält Michael.
Von der älteren Julia erfährt man, dass sie in einem Internat lebt (..., und unsere Tochter lebt im Internat" S.188 Z.6). Sie nimmt ihren Eltern also vielleicht übel, dass sie sich haben scheiden lassen, und will nun nicht so viel mit ihnen zu tun haben.

Michaels spätere Freundinnen verstehen ihn nicht so, wie er es sich wünscht, obwohl sie ein bisschen mehr wie Hanna sind und er von ihr erzählt hat. Vielleicht eben weil sie ein bisschen so sind wie Hanna.

Die Raumverhältnisse der kleinen Familie sind etwas beengt ("Aber unser Leben war eine Dreizimmerwohnung" S.164 Z.15f). Dort hat man nicht viele Möglichkeiten, dem anderen aus dem Weg zu gehen, das könnte Michael daran gehindert habe, mit dem Vergleichen von Gertrud und Hanna aufzuhören.


(kein C-Teil)
Er konnte sein Leben nie richtig ausleben und frei von Hanna sein.


Es wird klar: die ganze Geschichte ist verkehrt. Was ist falsch gelaufen?
Hätten Michael und Gertrud aus Vernunft, für Julia, zusammen bleiben müssen, hätten Hanna und Michael sich anders trennen sollen, hätten sie nicht zusammenkommen dürfen, hätte Hanna von Anfang an mit ihrem Analphabetismus anders umgehen müssen, ect,???
Der Finger deutet in Richtung Hanna.
Ob Michaels Charakter auch zu der Misere beigetragen hat, kann man nicht sagen, weil der nämlich zu sehr von Hanna beeinflusst wurde, sodass man nicht von seinem "wahren Charakter sprechen" kann. Andererseits war es seine Entscheidung, niemandem von Hanna zu erzählen...
So oder so, die Aussage des ganzen Buches ist verworren. Soll man nicht so handeln wie Hanna, Schuld nicht so behandeln wie Michael?
So in etwa habe ich es jedenfalls verstanden.

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