Sonntag, 9. Januar 2011

Interpretation von Kapitel 2 im 3. Teil (KA)

In dem Roman "Der Vorleser" von Bernhard Schlink, dass 1995 in Zürich veröffentlicht wurde, geht es um die Beziehung des jungen Mannes Michael, mit Hanna, einer älteren Frau, welche das gesamte Leben Michaels verändert.

Die Beziehung von Michael und Hanna beginnt im Herbst, in dem Michael fünfzehn Jahre alt und an der Gelbsucht erkrankt ist. Michael muss sich vor Hannas Haus übergeben und sie hilft ihm daraufhin. Später kommtMichael immer wieder zu ihr, da er sich körperlich stark von ihr angezogen fühlt. Allerdings schämt er sich für diese Gefühle, kann sie jedoch nicht unterdrücken. Ab dem Zeitpunkt,an dem Hanna ihn verführt hat, als Michael aus der Badewanne gestiegen ist und sie ihn danach, selber auch nackt, abgetrocknet hat, haben Hanna und Michael eine stark körperliche Liebesbeziehung. Sie schlafen oft miteinander und Michael schwänzt dafür sogar die Schule. Es entwickelt sich ein festes Ritual, das aus Vorlesen, Baden und "sich lieben" besteht. Das Vorlesen hatte sich Hanna gewünscht, genauso wie sie von ihm verlangt mehr für die Schule zu tun. Zwischen den beiden gibt es oft Probleme bei denen sich Hanna Michael sofort entzieht. Das wiederum bewegt Michael immer dazu nachzugeben, da er sich sehr stark nach ihr sehnt und das Gefühl hat, nicht ohne sie zu können. So geht es einen Sommer lang. Doch nach dem Sommer verschwindet Hanna plötzlich. Woran sich Michael die Schuld gibt.
Er sieht sie erst im Studium der Rechtswissenschaften wieder, bei dem sie einen KZ-Prozess mitverfolgen. Hanna ist dort angeklagt, da sie eine Arbeitsstelle bei der SS, als Wächterin, hatte. Während der ganzen Zeit der Gerichtsverhandlung will Michael nicht mit Hanna sprechen, jedoch verfolgt er den Gerichtsprozess sehr stark mit, was die anderen Studenten wundert. In dieser Zeit denkt Michael viel über Hanna und ihn nach und bemerkt, dass Hanna überhaupt nicht lesen und schreiben kann. Dies zwingt ihn in einen Gewissenskonflikt, da diese Aussage zwar eine Milderung der Gerichtsstrafe für Hanna bedeuten würde, jedoch wollte Hanna, mit aller Entschiedenheit, nicht dass ihr Analphabetismus entdeckt wird, und er möchte sie nicht verraten. Michael sagt nichts, redet nichtmal mit Hanna selbst, und so muss sie als Hauptschuldige lebenslänglich ins Gefängnis.
Nach Ende des Prozesses stürzt Michael sich in Arbeit, um seine Gedanken verdrängen zu können. Später, auf einem Skiausflug wird Michael krank und kann die Gedanken nicht mehr zurückhalten. Er fühlt sich schuldig.

In dem folgenden Kapitel wird von Michaels Beziehung zu Gertrud, einer Frau, die er auf dem Skiausflug kennengelernt hat, berichtet. Gertrud und Michael sind beide Juristen, studieren zusammen und werden Referendare. Sie heiraten und haben eine Tochter. Michael hat Gertrud nie von Hanna erzählt und doch kann er nicht aufhören die Beiden miteinander zu vergleichen und zu finden, dass es sich bei Gertrud nicht richtig anfühlt. Somit läuft es zwischen den beiden nicht gut und sie trennen sich in Frieden und bleiben Freunde. Doch Julia, ihre Tochter, versteht das nicht und die Trennung macht sie unglücklich. Michael bemerkt das und ist wieder von Schuldgefühlen geplagt. In späteren Beziehungen erzählt Michael von Hanna , doch allzugroßes Interesse haben die Frauen nicht.

Im diesem Teil des Romans geht es um das erste Mal, seit Hanna, um eine Beziehung zwischen Michael und einer Frau. Das Kapitel ist komplett seinen späteren Beziehungen gewidmet. Es fängt mit dem Eingehen auf die Frauen, also der Heirat mit Gertrud ("Ich habe als Referendar geheiratet" S.164, Z.1), an und hört mit dem Bruch mit ihnen auf. In der Mitte (S.165, Z.9-27) wird noch das thematisiert, was aus einer Beziehung entstehen kann: ein Kind.
Die Abschnitte eins und drei sind zeitraffend erzählt, wobei der mit Gertrud noch genauer beschrieben wird und die restlichen Frauen sich in eine Aufzählung einordnen müssen. Das zeigt auch, dass die Frauen für Michael einen immer geringeren Wert haben. Er hat das Gefühl, dass sie ihn gar nicht verstehen und es in Wahrheit auch gar nicht hören wollen, was in Michael vorgeht ("So gab ich das Erzählen auf. Weil die Wahrheit dessen, was man redet, das ist, was man tut, kann man das Reden auch lassen" S.166, Z.17-19).
Durch Zeitdehnung der Gefühle wird gezeigt, was ihm eigentlich wichtig ist. Die Gefühle zu Gertrud, die sich falsch anfühlen, und die Schuldgefühle gegenüber seiner Tochter, die wegen der Trennung, die sie nicht versteht, sehr traurig ist ("(...) unter ihrem traurigen Blick ins Auto stieg, brach es mir das Herz" S.165, Z.21-22). Michael beschreibt Gertrud als jemanden mit einer Persönlichkeit, die er selbst schätzt ("Gertrud war gescheit, tüchtig und loyal (...)" S,164, Z.11,12) jedoch war Gertrud Michael zu nah, sodass er nicht anders konnte als sie mit Hanna zu vergleichen ("(...) wenn es unser Leben gewesen wäre, einen Bauernhof zu führen mit (...) viel Arbeit und ohne Zeit füreinander, wäre es erfüllt und glücklich geworden." S.164, Z.12f.). Denn offensichtlich ist Michael von Hannas Persönlichkeit als Frau stark geprägt worden, denn andere Frauen geben ihm das "Gefühl, daß es nicht stimmt, daß sie nicht stimmt" (S.165, Z.1). Michael weiß das auch und möchte, damit er sich endlich wieder in neue Beziehungen einlassen kann, "von Hanna frei sein" (S.165, Z.4). Dieses Kapitel ist frei von wörtlicher Rede und wird personal vom inneren Ich erzählt. Das gibt einem das Gefühl von Sachlichkeit und lässt, da nur zu Tochter und zu Hanna Gefühle genannt werden, nicht wirklich mitfühlen. Man merkt, dass es nichts ist was Michael wirklich nah an sich heranlässt. Es macht ihn zwar traurig, aber er beschreibt es ohne Tragik oder Wörter, die starkes Mitleid auslösen würden. Das, was Michael am Ende noch bewegt, ist nur noch seine Tochter, wobei Michael eher die Schuld, ("Wir haben sie um ihr Recht betrogen, (...) das wir es gemeinsam taten, hat die Schuld nicht halbiert" S.165, Z.24-27) als die Liebe, die er zu ihr empfindet, mit ihr verbindet. Das Schuldgefühl wird besonders dadurch hervorgerufen, dass Michael weiß, wie glücklich Julia mit ihren Eltern ist. Das sieht man an dem passenden Vergleich "Wenn Gertrud und ich einander zugetan waren, schwamm Julia darin wie ein Fisch im Wasser" (S.165, Z.11,12). Ansonsten gibt es nur wenige Stilmittel.

Der Vorleser zeigt, wie ich finde, ein sehr tragisches Leben von einem Jungen, bei dem eine Entscheidung aus seiner Kindheit sein ganzes Leben gefangen hält, der sich einen Mittelpunkt in seinem Leben ausgesucht hat, der ihm mehr nimmt als gibt. Es ist traurig mitanzusehen, wie Michael ohne Ruhe durch sein Leben geht, während sie andere Seite kein erkennbares Mitfühlen zeigt.